Wie gewonnen, so zeronnen

Seit ich in Südafrika bin, habe ich mich zur regelmäßigen Hobbyschwimmerin gemausert. Offiziell arbeite ich 9 to 5, die meiste Zeit davon am Schreibtisch. Es ist nicht so, dass ich nicht stillsitzen kann, aber nach einem langen Tag im Büro brauche ich zum Ausgleich Bewegung. Der Weg zum Supermarkt und zurück reicht mir da nicht.

Meine typischen Abreagier-Mechanismen von zuhause musste ich hier einem harten Realitätscheck unterziehen: Ausgedehnte Spaziergänge in den Abendstunden? Eher nicht so empfehlenswert. Mit dem Fahrrad durch die Stadt gurken? Ist in der kapstädter Rushhour auch kein Vergnügen. Ganz davon abgesehen habe ich gar kein Fahrrad.

Schwimmen gehen? Das geht besser als gedacht! Seit meiner Ankunft war ich fast jede Woche ein- bis zweimal im Hallenbad in der Longstreet. Das ist ein Ort mit sehr besonderem Charme. Das Bad wurde 1908 eröffnet. Im ganzen Gebäude hängt noch die Atmosphäre vergangener Zeiten. Das fängt schon mit den zweisprachigen emaillierten Hinweisschildern an: Kleedkamer – Changing room, Diep Kant-Deep End. Der reinste Afrikaanskurs. p1030503

p1030502Die Wandgemälde in der eigentlichen Schwimmhalle waren sicher mal sehr schön, haben aber so viel Patina und abgeplatzte Stellen, dass ich nicht genau sagen kann, was sie eigentlich zeigen (was auch daran liegen könnte, dass ich sie stets ohne Brille betrachte). Auch im Dach klaffen größer Lücken, durch die sich manchmal vorwitzige Vögel wagen, die dann auf den Querstreben des Dachstuhls sitzen. Wochentags nach der Arbeit treffe ich im Longstreet Bath meistens sportlich ambitionierte Schwimmerinnen und Schwimmer, aber am Wochenende geht es lustig zu. Dann ist das Bad ein beliebtes Familienausflugsziel. Die Kinder paddeln kreuz und quer sowohl im Schwimmer- als auch im Nichtschwimmerbecken herum. Jugendliche liefern sich wilde Spritzkämpfe und wenn die dazugehörigen Eltern nicht gerade eine gemächliche Bahn ziehen, lagern sie auf den Tribünen oder machen Gebrauch von dem türkischen Bad im Obergeschoss, in das ich mich noch nicht vorgewagt habe.

Erst Ende Januar habe ich eine komfortablere Variante gefunden: Das Freibad in Observatory. Erfrischendes, klares Wasser statt Hallenbadmief. Keine halbstündige Anreise mit dem Minibustaxi, sondern ein kurzer Fußmarsch. Der Pferdefuß: Die Öffnungszeiten entsprechen genau meinen Bürozeiten. Zuletzt habe ich aber mit einer Kollegin die Allianz geschlossen, dass wir in der Mittagspause zusammen schwimmen gehen. Bevor wir das zur guten Angewohnheit machen konnten, hat uns die Stadtverwaltung Kapstadt einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die anhaltende Dürre ist in aller Munde. Im Radio und in der Zeitung werde regelmäßig die beunruhigend niedrigen Füllstände der Wasserreservoirs durchgegeben. Zuletzt gab es auch immer häufiger Buschbrände. Schon seit dem 1. Dezember sind Water Restrictions der Alarmstufe 3 in Kraft. Da ich kein Auto zu waschen und keinen Garten zu wässern habe, betrafen die mich bisher wenig. Seit dieser Woche allerdings ist der Observatory Swimming Pool nur noch an Wochenenden geöffnet, um Wasser zu sparen. Die Dürre ist jetzt also auch in meinem Alltag angekommen. Das Schwimmbad in der Longstreet hat zum Glück trotz Water Restrictions noch geöffnet – Dort kann ich nach wie vor meine Bahnen kraulen.

 

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